Co-kreative Prozesse sind enorm bereichernd
Gestalterin Christiane Eberle (geb. 1972) gründete mitten im Corona-Lockdown 2021 ihr eigenes Unternehmen und stellt sich resilient den Herausforderungen im KI-Zeitalter.

Die Gründerin von „Christiane Eberle visuelle Kommunikation“ studierte an der Grafischen in Wien Grafik und Design, war in St. Gallen tätig und war 16 Jahre lang für das Erscheinungsbild des Frauenmuseum Hittisau verantwortlich. Sie koordinierte regionale Entwicklungsprojekte und gestaltet Marken, Prozesse und Beziehungen. Als Co-Kreateurin hat sie heuer auch bei einem Kreativpreisprojekt ("Ich bin Wertschätzerin", 3. Preis Kampagnen) mitgewirkt.
Sie bezeichnen sich bewusst nicht als Grafikerin, sondern als Gestalterin. Warum?
Christiane Eberle: Weil Gestalten für mich weitergeht als reine Grafik. Ich gestalte Kommunikationsprozesse – zwischen Menschen, in Organisationen, im öffentlichen Raum. Die Macht der Kommunikation und die Möglichkeiten der Grafik können Menschen verbinden, motivieren und einbeziehen. Mir geht es immer darum, dass Gestaltung Sinn stiftet und Nutzen schafft.
Sie waren an der Kampagne „Ich bin Wertschätzerin“ beteiligt, die beim Kreativpreis Vorarlberg den 3. Platz (Kampagne) erhielt. Was war Ihre Rolle?
Christiane Eberle: Das Konzept der Kampagne kam von Caro Winz (Zukunftszeichner), Auftraggeberin war die Gemeinde Doren, die die „Wertschätzer:in-Initiative“ angestoßen hat. Die Initiative verfolgt die kraftvolle Idee, Wertschätzung aktiv in die Gemeinschaft zu tragen. Ich habe die grafische Umsetzung verantwortet und eine Bildsprache entwickelt, die emotional und inklusiv wirkt – für ein ganzes Dorf, alle Altersgruppen, alle Berufe. Mit der jungen Illustratorin Laura Bessler fand ich eine Person, die diese Idee wunderbar umgesetzt hat. Mittlerweile sind die Motive sogar animiert, und es gibt ein Memory-Spiel für Kindergärten und Volksschulen, entstanden aus Zeichnungen der Kinder selbst.
Was macht co-kreative Prozesse für Sie so bereichernd?
Christiane Eberle: Wenn mehrere Perspektiven zusammenkommen, entsteht eine Tiefe, die man allein kaum erreicht. Es geht um gegenseitige Wertschätzung, um gemeinsames Denken und Weiterentwickeln. Co-kreativ zu arbeiten bedeutet, Verantwortung zu teilen – das empfinde ich als enorm bereichernd und motivierend.
Ihre Arbeit umfasst weit mehr als klassische Grafik. Wie sieht Ihr Ansatz aus?
Christiane Eberle: Menschen und Inhalte sind mir näher als Prinzipien oder Papier. Ich höre zu, frage nach, verstehe und begreife – bevor ich gestalte. Analog und digital, mit Gespür für Mensch und Material. Organisations- und Prozessmanagement gehören für mich ebenso dazu wie persönliches Engagement und Qualitätsanspruch. Viele Projekte sprengen Grenzen und gewinnen dadurch Profil. Klarheit, Werte und Professionalität prägen meine Arbeit, ich berühre gerne mit Gestaltung!
Sie haben in der Coronazeit Ihr Unternehmen gegründet?
Christiane Eberle: Ich hatte keine Angst vor schlechten Zeiten. Wer in einer Krise gründet, weiß, dass nichts selbstverständlich ist. Das schärft den Blick für das Wesentliche und macht resilient. Ich habe mich auf meine Stärken konzentriert: Typografie, Branding, Editorial- und Webdesign. Besonders freue ich mich über grenzüberschreitende Kooperationen, etwa mit einer Modeboutique in Heilbronn ebenso wie gemeinsame Projekte z.B. für die Architektin Claudia Greußing mit meiner Bürokollegin Anuschka Fink oder die Gestaltung für das Alpina Lech mit Karin Guldenschuh. Vieles läuft über Mundpropaganda und Empfehlungen. Das ist ein schönes Kompliment, denn so entstehen wirklich großartige Projekte. Menschen, die meine Arbeit wertschätzen, sind mir wichtig. Ob Handwerker, Musiker oder Unternehmer: Alle bekommen dieselbe Aufmerksamkeit.
Danke für das Gespräch! Andrea Fritz-Pinggera
Foto: Roswitha Natter-Schneider