Ein Dirigent allein klingt nicht so gut

Dirigent und Cellist Stefan Susana über Führung und das „Loslassen“ - ein Beitrag von Hanno Schuster.

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Sich auf die Individualität, das Talent und die Erfahrung von Menschen einzulassen sei eines der wichtigsten „Führungsinstrumente“. Das sagt der Dirigent und Cellist, Stefan Susana. In seinem Gespräch mit dem Gestalter und Kurator des Designforum Vorarlberg, Sigi Ramoser, nahm er die Zuhörer mit auf seinen Werdegang als Musiker. „Haltung macht Führung“ oder „vom Vielklang zum Einklang“, so der Titel des Abends im Designforum. Natürlich habe jeder Dirigent vom Klangbild einer Partitur immer eine eigene, ideale Vorstellung. Die Transformation der Idee in die Wirklichkeit funktioniere aber nicht, wenn man die Musiker in ein Schema einzupassen versuche. „Führen heißt zunächst einmal, wertschätzen, was vorhanden ist“, so der studierte Musiker.

Neugierig auf ein gemeinsames Ideal machen
Für Agenturchef Sigi Ramoser beschreibt Susana eine für jede kreative Arbeit wichtige Eigenschaft von Führung. „Auch Design lebt von der Vorstellung eine ideale Idee, umsetzen zu wollen. Und auch in meiner Agentur gilt es, die kreative Power der Mitarbeiter anzustacheln, sie neugierig auf ein gemeinsames Ideal zu machen. Wer Druck macht, hat nicht verstanden, dass gutes Design nur durch angstfreie und motivierende Zusammenarbeit entstehen kann“. Ob die Umsetzung eines Orchesterwerkes mit einem hundertköpfigen Orchester oder der Entwurf einer grafischen Idee: immer gehe es darum, aus Mitarbeitern respektive Musikern, Beteiligte an einem Schöpfungsprozess zu machen, so die beiden Gesprächspartner unisono. Diese Überzeugung ist nicht ganz neu.

Führung im 18. Jhdt
Schon Josef Haydn (1732 – 1809) versuchte die Umsetzung eines seiner Werke mit einer für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Ansprache zu erreichen. Der Haydn-Biograf A.C. Dies berichtet von einer Konzertprobe um 1790, in der Haydn ein neues Werk mit einem englischsprachigen Orchester einstudierte. Für Haydn schlug das Orchester drei Noten eines Auftakts zu nachdrücklich an. Er unterbrach die Stelle dreimal um entsprechend zu intervenieren. Nach einem Murren unter den Musikern wandte er sich an das Orchester und ersuchte „um eine Gefälligkeit, die ganz in ihrer Macht (des Orchesters) stünde, und dass es ihm sehr Leid wäre, sich in englischer Sprache nicht ausdrücken zu können, sie möchten ihm daher erlauben, seine Meinung auf einem Instrument vortragen zu dürfen. Er nahm darauf eine Violine, und machte sich durch den wiederholten Anstrich den drei Töte so verständlich, dass das Orchester ihn vollkommen begriff.“
So unbedeutend diese Episode aus heutiger Sicht vielleicht sein mag, zur damaligen Zeit war sie recht ungewöhnlich. Sie zeigt jedoch, dass große Künstler schon vor mehr als 200 Jahren verstanden haben, dass Führung Empathie für die Menschen voraussetzt.

Der Eitelkeit ein Bein stellen - Beteiligte zu Verbündeten machen
Es gehe immer um die Haltung den Menschen gegenüber. Eine Idee zu verwirklichen, heißt Beteiligte zu Verbündeten in einer gemeinsamen Sache zu machen. Das bedeute andererseits jedoch auch, sich selber zurückzunehmen. Als Dirigent bestärke man die Musiker darin, ihr Talent, ihre Erfahrung und ihr musisches Verständnis aus Liebe zum Gelingen eines gemeinsamen Projekts einzubringen. Dann komme irgendwann der Punkt, an dem man loslassen müsse und auf die Musiker vertrauen. Insofern hat auch Stefan Susana seine Erfahrungen gemacht. Sein Lernprozess bedeutete, die Eitelkeit im Mittelpunkt stehen zu wollen, abzustreifen. „Die Konzentration „auf die Seele der Musik“ ist ein Transformationsprozess mit vielen, zum Teil auch schmerzlichen Phasen der Selbsterkenntnis“, erzählte der Absolvent des Mozarteums Salzburg. Letzen Ende habe er einsehen müssen, „dass ein Dirigent allein auch nicht so gut klingt“.

Dass Dirigieren gar nicht so einfach ist, durften dann Freiwillige live „on stage“ ausprobieren. Stefan Susana überreichte den Taktstock mutigen Besuchern und interpretierte deren Vorstellung von „Hänschen klein“ auf seinem Cello. Mein Resümee: Führung (auch mit dem Taktstock) setzt ein gemeinsames Verständnis, echte Empathie und den Mut, sich selber nicht so wichtig zu nehmen, voraus. Feedback allein ist dabei nicht von Nutzen.

Hanno Schuster
 

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