Interview des Monats mit Stefan Kainbacher

Stefan Kainbacher (Jg. 1980), FHV Intermedia-Lehrender, über das Sprengen von Grenzen, KI und unseren Umgang mit ihr.

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Zwischen Kunst, Design, Technik und Kommunikation

Mag (FH) Stefan Kainbacher ist Medienkünstler, Teil des Künstlerkollektivs NEON GOLDEN.net und des Designstudios BEAUTY PARLOUR und Gründer von BPNXT (BEAUTY PARLOUR next Generation Design) und pendelt zwischen den Wohnsitzen Dornbirn und Wien. Wir sprachen mit ihm über seine Tätigkeit und wie sich die KI auf unsere Kreative Wirtschaft und Gesellschaft auswirken könnte.

Sie produzieren seit Jahren viel Design sowie Lichtinstallationen für Clubs, warum?
Stefan Kainbacher: Ich habe mein Wissen und meine Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen wie Visuals und Lichtdesign für Clubs entwickelt, weil ich glaube, dass ein Club ein Raum ist, der außerhalb der Norm existiert und als Experimentierfeld für Licht, Musik und neue Erfahrungen dienen kann. Die Rave-Kultur ist dafür ein gutes Beispiel. In meiner Arbeit geht es darum, Grenzen zu sprengen und zu erforschen, was passiert, wenn man Elemente hinzufügt oder wegnimmt, um Video und Rhythmus in einem besonderen Setting zu verbinden. Ein Projekt, das ich umgesetzt habe, war beim Burning Man Festival. In Kalifornien ist es faszinierend, wie sich Unternehmen und Festival kreativ beeinflussen – z.B. am Apple Store in San Francisco. Die Leute profitieren davon, wenn sie einmal im Jahr zu diesem besonderen Festival gehen.

Was bieten Sie Ihren Kund:innen?
Stefan Kainbacher: Mein Ansatz ist quasi das "Boutique Design", bei dem jene, die mich buchen ganz neue Lösungsansätze zwischen Kunst, Design, Technik und Kommunikation erhalten. Spannend: wenn ich mich mit etwas beschäftige, bekommen andere das mit und kommen auf mich zu. Im Netzwerk befruchtet man sich gegenseitig. Die Kunst war für mich nie wegen des Geldes wichtig, sondern ist eine starke Säule meiner Arbeit. Mittlerweile macht sie finanziell ein Drittel bis die Hälfte meines Umsatzes aus. Ich werde 2024 an der Triennale der Kunst in Bad Ragaz teilnehmen und arbeite dabei mit der Galerie am Lindenplatz und c.art zusammen. Dort wird es eine größere Installation von mir zu sehen geben.

KI ist ein Thema, das Sie seit einigen Jahren sehr intensiv beschäftigt?
Stefan Kainbacher: Mich interessiert, wie die Gestaltung mit KI aussieht, wie man gemeinsam arbeiten und gestalten kann, welche Prozesse die KI den Menschen abnehmen kann und was ich als Kreativer daraus ziehen kann. Ich predige das schon seit vielen Jahren. Einfache Designaufgaben werden definitiv wegfallen, und das 08/15 Grafikdesign wird verschwinden. Ich glaube, es ist wichtig, der KI die richtigen, spannenden Fragen zu stellen, sowohl für Bilder als auch für Texte. Kunst ist für mich nicht nur Abbildung; sie sollte Fragen an die Gesellschaft stellen und mit Systemen brechen.

Was heißt das für unsere Kreative Wirtschaft?
Stefan Kainbacher: In der Zukunft wird der gesamte Kreativprozess auf den Kopf gestellt. Als Künstler muss ich mit KI zusammenarbeiten und dabei neue Strategien entwickeln, um das Beste daraus zu ziehen. Ich erwarte eine Medienflut, wenn die Generierung von Texten und Bildern einfacher wird, und es wird einfallsreiche Menschen brauchen, um sich in diesem Dickicht zurechtzufinden. 
Was ich spannend finde, ist eine Reise durch den latent space. Wenn man durch die Linse der virtuellen Kamera blickt und dort die hidden Places findet, nicht die Allgemeinen Plätze sondern den Hinterhof. Ich könnte die KI rendern und füttern und Millionen Bilder rauslassen – aber wenn ich als Künstler damit arbeite, dann muss ich mir einiges dazu überlegen – und das was rauskommt mache ich mir wieder zu eigen. Das ist wiederum ein Autoren-Curating – das in Zukunft noch viel mehr Bedeutung bekommen wird.

Triviale Frage – was geschieht, wenn der Strom ausfällt?
Stefan Kainbacher: Dazu gibt es ein super Kunstprojekt. Ein Student musste Erz schürfen, einschmelzen, Feuer machen, Metall, Kunststoff isolieren etc. Diesen Prozess hat er dokumentiert – am Schluss kam sogar ein Toaster raus – es zeigt die Basics. (https://www.dezeen.com/2009/06/27/the-toaster-project-by-thomas-thwaites/) Insgesamt glaube ich, dass es wichtig ist, den Menschen das Denken beizubringen und ihnen beizubringen, wie man Prototypen baut und Handmodelle erstellt. Vor einigen Jahrzehnten war das Selbstgemachte auf einmal weniger wert, mittlerweile hat sich das gedreht und der Trend geht wieder zu den Basics. Wir benötigen auch Muße und Bewegung, um andere Eindrücke zuzulassen und Ideen entstehen zu lassen. Es ist wichtig, aus dem Digitalen herauszukommen und sich in Bewegung oder Natur zu begeben.

Wie könnte die Welt in drei Jahren aussehen? 
Stefan Kainbacher: Ich glaube, dass die Gesellschaft sich radikal umstellen muss. Viele Jobs werden verloren gehen, schneller als wir schauen können. Dies betrifft nicht nur die Kreativbranche, sondern auch die Verwaltung und andere Bereiche. 

Im Social Media Bereich wird es wichtig sein, jemanden zu haben, der anders agiert als die anderen, um sich von der Masse abzuheben. KI wird auch in der Buchhaltung und in vielen Unternehmensbereichen eingesetzt werden. Die Frage ist, wie wir mit den Menschen umgehen, die von diesen Veränderungen betroffen sind. Roboter können viele Aufgaben übernehmen, aber sie werden die menschliche Empathie und Fürsorge nie vollständig ersetzen können. Ein Roboterkoch hat keinen Geschmack, aber er beherrscht Chemie. Der humanoide Roboter hat die „Nachteile“ des menschlichen Körpers, ist aber im Pflegebereich sinnvoll einsetzbar – ansonsten werden und müssen Roboter nicht menschenähnlich aussehen. 

Sie betrachten die Entwicklung aus Sicht des Künstlers?
Stefan Kainbacher: In Bezug auf die kreative Arbeit erwarte ich eine Flut von generischen Inhalten, die durch die zunehmende Einfachheit der Erstellung entstehen. Es wird wichtig sein, findige Menschen zu haben, die neue und innovative Strategien entwickeln, um sich von der Masse abzuheben und durch das Informationsdickicht hindurchzukommen. Das ganze Wissen ist transferierbar. Musik hat auch Space und offspace. Ton und Stille. Architektur heißt auch -wie gehe ich mit dem Raum um? Wie leer oder voll ist es? Wir Künstler und Kreativen leben vielfach von der intrinsischen Motivation. Wie machen es, weil wir es machen müssen, und sind deswegen auch überdurchschnittlich selbständig tätig. Es geht nicht nur ums Geld, sondern darum, geile Projekte umzusetzen.

Kommt der I-Robot- Effekt, dass sich die KI verselbständigt und Menschen auf die Plätze verweist?
Stefan Kainbacher: Bis zur singularity – dem unkontrollierbar und unumkehrbaren technischen Fortschritt - ist es noch ein ganz weiter Weg. Wir stehen im Moment bei machine learning. Die Maschine erfasst Informationen und verknüpft diese. ChatGPT hat noch keinen Zugang zum Internet, Bing wiederum schon. Vielleicht gibt es bald eine Verknüpfung, aber die befürchtete Singularity kommt vielleicht nie.

Was halten Sie von der Petition der Silicon Valley Tech-Größen?
Stefan Kainbacher: Das ist spannend: Elon Musk baut selbstfahrende Autos die KI basiert sind und nun verlangt er ein KI-Moratorium. Die Maschine läuft, man kann sie nicht mehr stoppen. Ich halte nicht viel von (War Games) Automatismen. Die KI ist da, die Frage ist, wie gehen wir damit um, wie reagieren wir. Niemand weiß, was passiert. Man muss eine Vermutung anstellen im Sinne von „Wie ich lernte die Bombe zu lieben“. Die Zukunft ist ungewiss, aber eines ist sicher: KI und Technologie werden unsere Welt und die Art und Weise, wie wir arbeiten, gestalten und kommunizieren, weiterhin beeinflussen. Es liegt an uns, wie wir mit diesen Veränderungen umgehen und wie wir uns anpassen, um das Beste aus der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zu machen. Übrigens: An der Fachhochschule Vorarlberg setzen wir uns mit neuen Theen wie KI intensiv auseinander und "erproben" die Zukunft bereits mit unseren Studierenden.

Über Stefan Kainbacher:
Stefan Kainbacher, geboren 1980, ist Magister (FH) für künstlerisch-gestaltende Berufe und Media Artist, arbeitet in verschiedenen Bereichen wie Visual Art, Generative Art, Rapid Prototyping, Interactive Sculpture, Light Installation, Temporary Architecture, Interaction Design, Interdisciplinary Design, Next Generation Design, Interactive Story Telling, Interface Design, Computer Related Art, Concept Art, Performance, Interactive Art, Information Architecture, Big Data und Speculative Design. Er hat Erfahrungen in Conceptual Design & Direction, Media Design, Web Technologies, Creative Coding und Visual Programming.
Kainbacher studierte an der FHV (2000-2004) und der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz (2005-2008). Er nahm an verschiedenen Workshops teil und lehrte selbst auch an Universitäten und Hochschulen. Seine akademische und berufliche Erfahrung umfasst die Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen und Institutionen, darunter die Fachhochschule Vorarlberg, Universität Duisburg-Essen, Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, und die Folkwang Hochschule in Essen. Stefan Kainbacher hat zahlreiche Performances, Ausstellungen und Installationen realisiert und war an verschiedenen Projekten beteiligt.
https://www.beautyparlour.at  
https://www.bpnxt.com
https://www.neongolden.net  

Und: aktuell läuft eine Ausstellung im Metaverse im Rahmen des „virtuellen“ Lichtfestivals in vaduz:
https://linktr.ee/valife

Interview: Andrea Fritz-Pinggera

Foto: Frederick Sams